Freitag, 29. Juni 2007

Auszug aus Laure und Jeanne, einem neuen Projekt

Sie lief den breiten Boulevard entlang, sie war tief in ihre Gedanken eingesponnen, ihre hohen Absätze klapperten auf dem feuchten Pflaster. Sie lebte wie in einem Traum und wünschte die Zeit würde langsamer vergehen, um alles besser auszukosten.
Sie trug blasslila Stilettos und dunkle Strümpfe mit Naht. Ihr kurzer Rock war von einem dunkleren Violett und aus weichem Samt. Der Boulevard lag im tiefen Morgenschatten, ein kühler Wind blies, die Blätter rauschten. In der Nacht hatte es geregnet und auf den Bänken am Straßenrand lagen noch glitzernde Wassertropfen. Sie schnupperte die weiche, feuchte Luft und spürte ihre Nacktheit unter dem Rock und dem Strumpfgürtel. Sie spürte die Luft kühl an ihrem Geschlecht und merkte, dass ihre Schamlippen anschwollen, ihre Lust schien nie zu enden. Sie dachte an den Nil, seinen magischen Rhythmus des Überfließens, seine tiefgrüne Farbe, seinen trägen Fluss, sie lächelte selbstgewiss. Wolkenfetzen jagten schnell über den Himmel, immer wieder leuchtete die Sonne kurz auf und stürzte gleichsam ab in die schattigen Schluchten der hohen Bürohäuser.
Laure trug eine Sonnenbrille mit schwarzen Gläsern, die ihrem Gesicht mit dem Porzellanteint etwas Katzenhaftes verlieh. Sie verbarg große dunkle Augen, tief und extrem weit auseinanderliegend, was ihrem Blick etwas Rätselhaftes und Geheimnisvolles verlieh.
Ihr üppiger Mund war sorgfältig ausgemalt und erinnerte an eine rosafarbene Orchideenblüte.
Die Lippen hatten einen fordernden Ausdruck und waren von einer weichen Lüsternheit und Fülle. Sie war feingliedrig und ihre Brüste waren voll und straff.
Schnell verschwand sie in einem der Straßencafes, die gerade erst öffneten. Drinnen war es trostlos, dunkle Holztische und leere Stühle, nur die Rauchschwaden von gestern lagen noch in der Luft, während ein verschlafener Kellner die Aschenbecher leerte.
Ohne die Sonnenbrille abzunehmen, bestellte Laure einen Capuccino, sie schlug die Beine übereinander und betrachtete die Bilder an den Wänden, großflächige Gemälde, Farbflächen in Blau -und Rosatönen, Farbwogen, die sie heiter stimmten. Sie war 23 Jahre alt, sie holte ein schwarz eingeschlagenes Notizenbuch aus ihrer Tasche und schrieb ein paar Sätze: „Sterne verbleichen wie Erinnerungen in der Morgendämmerung. Die Sonne geht auf und die Nebel zerstreuen sich...meine Nacht war ohne Traum und Trost, mein Mund schmeckt nach saurer Milch...“ Sie brach ab und kaute auf dem teuren Füller herum. Eigentlich war sie auf dem Weg in die Universität, sie hatte Ägyptologie belegt, ohne es wirklich ernsthaft zu betreiben. Stumm und nachdenklich saß sie auf dem Stuhl und träumte in den Tag hinein.
Die Tempel, die Grabstätten, die glatten Gesichter der Götter und Pharaos, die Hieroglyphen, die üppig ausgemalten Details, die Präzision der Linien, all das entsprach einer tiefen Sehnsucht in ihr. Das alte Ägypten füllte ihre Sinne und kroch bis in ihre Träume. Der träge dahinfließende grünblaue Nil, die blauen Lotuspflanzen der rote Sand, all das verlangsamte ihr Tempo, ließ sie auf einer üppigen Fülle langsam dahingleiten, wie in durchsichtige Schleier gehüllt, die ihren nackten Körper umfluteten. Auch jetzt dachte sie an die Häuser der Verschönerung, nubische Sklaven mit dunkler Haut und großen Penissen, in deren Augen Flammen züngelten. Lapislazuliblauer Staub, Parfumkegel, schwüle Düfte und die dunklen Wasser der Isis mit ihren Skorpionen wehten durch ihre Gedanken. Laure räkelte sich genüsslich, sie trank den Capuccino in kleinen Schlucken, ihre rosa Zungenspitze leckte die zuckrigen Reste des Milchschaums vom Tassenrand. Der Kellner sah immer wieder zu ihr hinüber, von ganz hinten, von weit hinter der Oberfläche ihres Gesichts, das schon viele Männer verwandelt hatte, wenn es auftauchte, sah sie zu, was sie bewirkte. Viele hatten um sie geworben, Laure war fasziniert von diesem Spiel, sie fühlte sich wie eine Prinzessin, die ihr Märchen erschaffen würde. Sie kritzelte noch ein paar Skizzen in ihr Buch und erhob sich, um zu zahlen. Als sie wieder auf den Boulevard hinaustrat, wehten rosa Blüten von mehreren Apfelbäumen über die Strasse. Sie tupften den grauen Asphalt, die Bäume schaukelten im Wind wie große Blumenwiegen.
Laure lief durch gepflegten Innenhöfe und Arkaden zum Altägyptischen Museum, sie liebte es dort die Statuen und Kunstobjekte ohne Hast zu betrachten und ihre Zeit zu vertrödeln. Zwischen den Ausstellungsgegenständen fühlte sie ein Ineinanderverflochtensein aller Welten und Seinsstufen, alles schien ihr miteinander verbunden.
Am Vormittag waren dort nur wenige Besucher, Laure fiel in eine zeitlose Stille, ihre Absätze hallten auf dem dunklen Steinboden, sie studierte die Parfumfläschchen und Kosmetiklöffel in dem hellen Türkis, das sie immer wieder bezauberte. Ein riesiger Katzenkopf der Göttin Sekhmet hing an der Wand und schien sie anzustarren und geheimnisvoll zu lächeln. Laure stellte sich vor, sie würde nackt vor einen der Pharaos treten, mit geöltem Körper und mit einem Parfumkegel auf dem tiefschwarzen Haar. Sie erträumte sich eine prachtvolle weiße Villa wie ein Schmetterling mit ausgebreiteten Flügeln mit schweren Holztüren, die mit Intarsien aus Karneol, Elfenbein und Ebenholz versehen waren. Langsam ging sie zu einem Regal mit den jüngsten Veröffentlichungen hinüber, und musterte die Bildbände. Ein Buch, das nur Münder enthielt, faszinierte sie besonders. Es hieß „Pharaos Mund“, sinnliche Münder, Münder wie kleine verwöhnte Blüten, Männerlippen in rotem Granit, ein Mundwinkel schien sich leicht ironisch zu wölben, sprangen ihr ins Auge.
Laure konnte sich von den Mündern nicht losreißen,
Sesostris Mund, schweigend und Machtworte sprechend, er verbarg soviel, wie er offenbarte, er strahlte eine ungeheure Macht aus, Königin Tejes üppiger Mund, gespannt und sensibel, in gelbem Jaspis.
Versunken in das Buch, bemerkte Laure gar nicht, dass jemand hinter sie getreten war. „Erregen sie Sie?“ sagte eine tiefe Männerstimme. Sie wandte sich langsam um, und wollte unbefangen und sogar ein wenig gleichgültig wirken. Sie sah in ein gut geschnittenes Gesicht, unwillkürlich glitten Laures Augen zu den Lippen des Sprechers, sie glichen denen Sesostris’. Sie waren außergewöhnlich gut geformt, willensstark, keinen Widerspruch duldend. Laure wusste nicht, wie viel Zeit verging ohne dass etwas geschah, später konnte sie sich nur an das gleißende Licht erinnern, das plötzlich durch die hohe Fensterscheibe flutete. Laure war aufgeregt, ihre Hand zitterte leicht. Sie legte das Buch nieder, sah verlegen auf ihren dunkelroten Fingernägel, sie machte sich Sorgen um ihre Schminke.
Die Lippen des Mannes lächelten kurz ironisch, dann strafften sie sich wieder, herrisch und befehlsgewohnt. Der Fremde beunruhigte Laure, er sah elegant aus, war schlank und hochgewachsen, sein Haar war dicht und schwarz mit einem leichten Silberglanz an den Schläfen. Sein Körper war straff und sehnig, die Haut leicht sonnengebräunt, er wirkte sehr beherrscht, fast würdevoll. Sie wollte eigentlich weitergehen, aber stand erstarrt vor dem Bücherregal und fühlte, dass ihre Schamlippen anschwollen und Wellen der Erregung durch ihren Unterleib pulsierten. Ihre Kehle verengte sich leicht. „Interessieren Sie sich für Altägypten?“ fragte sie, um gegen ihre wachsende Verlegenheit anzukämpfen.
„Ich sammle Designideen für eine ägyptische Kosmetikreihe, ...“, sagte er mit fester Stimme, dabei sah er ihr tief in die Augen. Laure war es gewohnt, betrachtet zu werden, doch der Blick dieses Mannes unterschied sich erheblich von denen der zahlreichen anderen Männer, die Laure begegnet waren. Ein feines Lächeln spielte um seine Mundwinkel, als könnte er ihre Gedanken lesen, die Lüsternheit tief in ihr sehen.
Laure nickte zögernd, sie hätte gerne weitergefragt, aber obwohl sie eigentlich nicht schüchtern war, verstummte sie immer wieder. „Ich studiere Ägyptologie“, murmelte sie schließlich vage.„Vielleicht können Sie mir irgend wann mehr darüber erzählen...“, sagte der Fremde hintergründig lächelnd und verbeugte sich leicht.

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