Samstag, 7. Juli 2007

Aus Petes Amouren, Tagebuch einer Affäre

Wir waren wie immer unterwegs am Samstagabend und meine Freunde wollten noch in die American Bar. Ich hatte wenig Lust, dort länger zu bleiben, mein Freund war verreist, er besuchte ein wissenschaftliches Seminar in Norddeutschland. Die Bar war überfüllt, nur mit Mühe klemmten wir uns alle dicht gedrängt hinter einen der dunklen Holztische. Der leise Jazz wurde vom lauten Stimmengewirr übertönt. Ich bestellte irgendeinen tropischen Drink mit Kokosmilch und versuchte, die durcheinander schwirrenden Wortfetzen zu sortieren. Ich langweilte mich ziemlich, weil alle wieder über Politik diskutierten und man ohnehin nur die Hälfte verstand. An der Bar saß ein hochgewachsener Mann mit eisgrauen Haaren. Immer wieder ließ ich meinen Blick dorthin wandern und studierte die Einzelheiten, blütenweißes Hemd, behaartes Handgelenk, Kinngrübchen, leichte Falten, ein feingesponnenes Lächeln, vielleicht eine Spur ironisch. Er zog mich an. Ich spielte Augenfangen mit ihm.
Zufällig fielen unsere Blicke ineinander, scheinbar gleichgültig wanderten seine Augen weiter durch das überfüllte Lokal.
Doch plötzlich fassten sie wieder zu und ich wurde unruhig, aber wich nicht zurück.
Am Ende lächelte er, stand auf und glitt durch die volle Bar. „Darf ich Sie auf einen Drink einladen?“ fragt er höflich.
Ich wies mit dem Kinn auf mein Glas, stand dann aber ebenfalls auf und stellte mich dicht neben ihn, weil man sich so bei dem Lärmpegel besser unterhalten konnte. Gerne hätte ich mit ihm zu einer langsamen Melodie getanzt, meinen Kopf an seiner Schulter ruhen lassen, an meinen Freund dachte ich seltsamerweise gar nicht. Wir wechselten einige belanglose Bemerkungen, und er meinte, draußen könnten wir uns besser unterhalten.
Kurz darauf verließen wir gemeinsam die Bar und standen auf dem breiten Boulevard, der um diese Uhrzeit nur noch wenig befahren war. Erwartungsvolles Schweigen breitete sich plötzlich zwischen uns aus. So allein hier draußen überwog schlagartig die Fremdheit.
Er schlug vor im Englischen Garten spazieren zu gehen. Obwohl er mir gefiel, fesselten Gedanken an Verbrechen im Dunklen meine Beine. Als ich sichtbar zögerte, zog er seine Visitenkarte, Rechtsanwalt. Zwar behagte mir dieser nächtliche Spaziergang immer noch nicht recht, aber wir setzten uns in Bewegung. Als wir durch immer dunklere Straßen zu dem Eingang des Parks liefen, war ich innerlich ständig auf der Kippe, umzukehren. Ich fand die passenden Worte und den Absprung aber nicht, sondern versuchte mit meinen hohen Absätzen mühsam mit ihm Schritt zu halten. Mir war sehr unbehaglich, zumal er überwiegend schwieg. Ich sah ihn von der Seite an, er schien leise in sich hineinzulächeln. Als wir über die Brücke, die über einen schäumenden schwarzen Kanal führte, den Park erreichten, sagte ich schließlich: “Mir ist kalt, ich werde zurückgehen.“
Dabei war mir klar, dass ich mich bereits zu weit vorgewagt hatte. Alles war menschenleer. Er blieb stehen: “Soll ich Sie zurückbegleiten?“
Ich fühlte mich erleichtert. Ich atmete tief die kalte Nachtluft ein und schämte mich fast für meine Befürchtungen. Dann zuckte ich die Achseln: „Wenn wir jetzt schon hier sind, können wir ja ruhig noch ein paar Meter gehen“. “Eben, Sie suchen doch nächtliche Abenteuer, dann passt das ja“. So freundlich der Ton auch war, so beunruhigte mich diese Bemerkung aufs Neue, sie hatte einen seltsamen Unterton.
Wir hatten den Park betreten. Es gab zwar einige schwach leuchtende Laternen, aber abseits der Strasse schlug uns sofort eine überwältigende Dunkelheit entgegen, die mich fast erstickte. Als sich meine Augen etwas an die Finsternis gewöhnt hatten, konnte ich ein paar Bäume und Sträucher ausmachen und ein paar Meter des Weges, der vor uns lag. Das war alles. Die Schwärze bewirkte, dass Panik in mir aufstieg. Was hatte ich hier zu suchen mit einem fremden Mann?
Angst brandete wie eine Welle durch meinen Körper, ich sagte zu ihm in Kleinmädchenstimme: “Ich will nicht mehr“. Zum erstenmal berührte er mich leicht am Arm und sagte ruhig: „Es ist alles in Ordnung, ich bin ja auch noch da“.
Und ich folgte ihm tiefer und tiefer in den nächtlichen Park. Wieder verfiel er in Schweigen. Mittlerweile war ich nicht mehr sicher, den Weg zurückzufinden. Plötzlich flatterte ein Vogel vor mir auf und ich zuckte zusammen.
Absurderweise dachte ich immer noch, ich könnte nur mit ihm zusammen den Weg zurückfinden. Auf einmal sagte er ziemlich schneidend: “Ganz schön leichtsinnig von Ihnen mit einem Fremden nachts in einen waldähnlichen Park zu gehen, tun Sie das öfter?“ Mir stockte der Atem, gleichzeitig hoffte ich immer noch, er würde nur ein ironisches Spiel mit mir treiben. Steif erwiderte ich: “Ich kann meinem Gefühl trauen“. Er lachte: „Meinen Sie?“ Ich nickte trotzig und dann fiel mir ein, dass er das ja in der Dunkelheit nicht sehen konnte, und sagte, so laut, dass es mir selbst glaubhaft erschien: “Ich habe ein gutes Gespür für Menschen. “Davon bin ich überzeugt“, sagte er. Er schien bester Stimmung zu sein, als er bemerkte: “Immerhin könnte ich ein psychopathischer Frauenmörder sein“. Ich schwieg, dachte an seine gepflegte elegante Erscheinung, daran wie ich ihn in der Bar wahrgenommen hatte, aber mir dämmerte allmählich, dass er zumindest ein sadistisches Spiel mit meinen Ängsten trieb. Ich blieb abrupt stehen und sagte störrisch: “Ich will jetzt sofort hier heraus, gehen wir endlich zurück.“ Etwas hilflos fügte ich hinzu: “Sie sind doch Rechtsanwalt, Sie werden mir schon nichts tun.“
Er lachte in sich hinein und schien mich zu belauern, als er sagte: „Ja, ja Rechtsanwälte sind alle sehr nette Menschen. Aber nur keine Sorge, wir befinden uns schon auf dem Rückweg, gleich da vorne ist die Strasse.“
Ich atmete auf, wunderte mich aber doch, weil wir meinem Empfinden nach immer tiefer in den Park hinein gegangen waren, aber ich war ja auch mittlerweile völlig verwirrt. Wieder fiel Schweigen zwischen uns, was mir gefährlich erschien, weil Worte die einzige Brücke waren, und etwas, an dem ich mich festhalten konnte.
„Warum tun Sie das?“ fragte ich hilflos. „Was? Spazieren gehen?“ gab er zurück. „Mir ist so danach.“
„Wo ist denn jetzt endlich der Ausgang?“ sagte ich drängend. „Seltsam, ich muss den falschen Weg erwischt haben, “wieder beunruhigte mich sein seltsamer Unterton.
Mir wurde jetzt endgültig klar, dass ich allein versuchen musste, hier heraus zu kommen.
Entschlossen blieb ich stehen und versuchte mich krampfhaft zu orientieren. Er stellte sich vor mich und ich konnte seinen gleichmäßigen Herzschlag wahrnehmen und erinnerte mich, dass ich vor kurzem noch mit ihm hatte tanzen wollen, auf Tuchfühlung.
Sein Rasierwasser roch nach japanischem Edelholz und er schien nicht einmal zu schwitzen, während ich schweißgebadet war. Entschlossen ging ich ein paar Schritte rückwärts, streifte meine Schuhe ab und begann zu rennen. Ich hielt auf ein dunkles Gebüsch zu, das Gras war kühl unter meinen nackten Füßen, einen Moment lang fühlte ich mich frei. Ich versuchte Riesenschritte zu machen, aber es war wie in diesen Träumen, in denen man nicht vorwärts kommt, so sehr man sich auch bemüht. Die Beine schienen am Boden festzukleben.
Kurz vor dem Gebüsch fühlte ich seine Hand schwer auf meiner Schulter, er schien nicht mal außer Atem zu sein. „Aber wir wollen doch nicht Verstecken spielen, oder?“ fragte er amüsiert. Es war sinnlos zu kämpfen, ich würde körperlich unterliegen. Ohne meine Stilettos überragte er mich beträchtlich. Er packte mich um die Taille und zog mich an sich. „Es ist doch nur ein Parkabenteuer“ sagte er und strich mir das Haar aus dem Gesicht.
Ich schöpfte Hoffnung, vielleicht wollte er nur Sex von mir und nicht mein Leben. Ich spürte seine Erektion am Unterleib. Wenn ich einwilligte würde er mich vielleicht endlich freilassen.
Der Stoff seines Anzugs fühlte sich seidig an, an meiner Wange. „Zieh deinen Slip aus“, sagte er leise.Widerwillen stieg in mir auf, die ganze Anspannung und Erschöpfung trieb mich über eine Grenze, ich schüttelte wild den Kopf. Gleichzeitig begann ich Rotz und Wasser zu heulen und auf ihn einzuschlagen mit Händen und Füssen. Ich versuchte ihn zu beißen, und presste meine Zähne in den Anzugsstoff. Als ich gegen sein Schienbein trat spürte ich seine eisenharte Hand in meinem Genick. Er packte mich wie eine Katze und drückte zu, bis ich von ihm abließ. „So geht das aber nicht“, sagte er, “wirst du brav sein, zieh den Slip aus.“ Ich zitterte am ganzen Körper und heulte vor mich hin, aber ich rührte mich nicht.

Keine Kommentare: